Sozialistische Kunst als Verbindung zur Vergangenheit
10 september 2011

Vezhdi Rashidov hat nur wenig Zeit in diesen Tagen. Der bulgarische Kulturminister rennt mit einer großen Zigarre in der Hand aufgeregt durch den Garten des Museums für Sozialistische Kunst in Sofia. Nächste Woche soll die Eröffnung sein, doch das Gras wächst nicht und auch die Auffahrt ist noch nicht fertig. Täglich kommt der Minister vorbei und gibt Anweisungen. „Alles muss ich selbst machen“, schimpft er, als er vor einem riesengroßen Standbild Lenins inne hält und mit dem Finger auf die Mitarbeiter des Museums zeigt: „Sieh doch mal. Da kommen die Professoren. Reden, das können sie, aber arbeiten ... ?“

Der Minister mag sich beschweren, aber es gibt sehr viel worüber tatsächlich gesprochen werden sollte, sagt Kuratorin Bisera Josifova. Bulgarien ist das letzte Land des ehemaligen Ostblocks, das solch ein Museum eröffnet. Zweiundzwanzig Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer ist es höchste Zeit, meint Josifova. „Eine ganze Generation hier hat keine Ahnung von der Vergangenheit. Aber beachten Sie, das ist kein historisches Museum. Wir zeigen bulgarische Kunst, die es immer noch wert ist angesehen zu werden. Und die Kunst erzählt wie es damals war.“

Doch genau diese Herangehensweise führt zu Kritik: Das Museum würde die totalitäre, kommunistische Vergangenheit beschönigen, heißt es. Josifova entgegnet: „Wir wollen keine Nostalgie hervorrufen. Aber wollen auch nicht dämonisieren oder politisieren.“

Während man draußen den Statuen der kommunistischen Ideologen und Politikern kaum entkommt, sind sie drinnen, im Gebäude, auffällig abwesend. Statt dessen gibt es in der kleinen Ausstellungshalle überwiegend Gemälde, die den Alltag zeigen; von überzeugten Kommunisten wie Alexander Zhendov, wie auch von 'bürgerlichen' Künstlern, wie Bonvivant Nikola Tanev. „Und Beide wurden zu Volksfeinden erklärt und ins Lager geschickt“, erklärt Josifova. „Das sind auch Geschichten, die wir hier erzählen können.“

Und es sind die Geschichten, über man in Bulgarien nicht gerne spricht. In einem Land, in dem der Ministerpräsident öffentlich den ehemaligen Diktator Todor Zhivkov lobt und wo der Präsident Mitarbeiter der kommunistischen Staatssicherheit war, deren Archive erst jetzt und nur auf großen Druck von der EU geöffnet wurden.

„In Bulgarien haben die Kommunisten noch immer die Macht“, sagt der Soziologe und ehemalige politische Gefangene Vasil Kadrinov. Noch 1985 wurde er verhaftet, weil er Alexander Solschenizyn gelesen hatte, und verbrachte 18 Monate in dem berüchtigten Gefängnis für politische Gefangene in Stara Zagora. „Sie waren es, die 1989 die Regie bei der Machtübernahme führten. Im Hintergrund kontrollieren sie bis heute den Staat. Das wurde möglich dank des Terrors. Es gab keinen Widerstand, es gab keine Intellektuellen. Sie waren längst verhaftet oder ermordet. Die kleine Opposition, die es gab, war infiltriert.“

Kadrinov schildert eine Gesellschaft die noch immer dominiert wird von ehemaligen Geheimagenten und Mitgliedern des Politbüros und ihrer Kinder. Mit dem Geld, das sie in der Übergangsphase aus der Staatskasse geklaut haben, kauften sie Land und Unternehmen. Und ökonomische Macht ist politische Macht, insbesondere in Bulgarien. In solch einem Klima gibt es kein Bedürfnis an Wahrheitheitsfindung, sagt Kadrinov trübe. „Aber ich weiß, dass ihr im Westen das kaum wissen wollt.“

Es gibt einen Ort in der bulgarischen Hauptstadt, wo keiner an Kadrinovs Worten zweifelt. Im Stadtzentrum, versteckt in einem Park, steht das Denkmal für die Opfer des Kommunismus. In schwarzem Marmor sind die Namen von bis zu zehntausend Bulgaren eingraviert, die in der Zeit zwischen 1944 und 1989 ermordet wurden oder verschwunden sind. Und das ist nur ein kleiner Teil der Gesamtzahl der Opfer. Gestern Abend versammelten sich an der Stelle ein paar hundert, meist ältere Menschen, für eine Gedächtnisfeier: es waren auf den Tag genau 67 Jahre seit der russischen Invasion und dem Putsch der Kommunisten.

„Das kommunistische System ist verschwunden und ich hoffe dass es nie wieder kommt“, sagt der Priester der kleinen Kapelle beim Denkmal. „Aber die Kommunisten haben hier noch immer das Sagen. Geh mit Gott, mein Junge, und erzähl das in deinem Land.“

Ein Denkmal und eine Feier für den letzten Diktator

Mittwoch, vor genau hundert Jahren, wurde der letzte Diktator, Todor Zhivkov, geboren. Um das zu würdigen, wurde in seinem Geburtsort Pravets feierlich ein Denkmal enthüllt. Auch sein Geburtshaus, das in kommunistischer Zeit in ein Museum umgewandelt worden ist, wurde wieder eröffnet. Bürgerrechtsorganisationen beschwerten sich beim Europäischen Parlament und bei der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel, die von der bulgarischen Regierung gefürchtet wird. Aufgrund der Proteste verzichtete die Regierung schließlich zumindest darauf, das Militärorchester zur Feier nach Pravets zu schicken. Tatsächlich regierte Zhivkov 35 Jahre lang Bulgarien mit eiserner Hand. Historikern zufolge war er als Führer einer Miliz 1944 an der Ermordung von zweihundert Einwohnern Sofias beteiligt. Unter seinem Regime sind Tausende von Bulgaren in Lagern und Gefängnissen umgekommen. So bekennt der Bürgermeister von Pravets: „In Bezug auf Todor Zhivkov sind nur zwei Dinge nicht strittig: Er wurde in Pravets geboren und er war über als dreißig Jahre das Staatsoberhaupt.“